Zeitzeugenberichte und ErinnerungenAlte Bräuche und Sitten aus dem Dorfleben

Viele der „alten“ Bräuche und Sitten kennt man heute nur noch aus Erzählungen unserer älteren Generation. Manches ist aber noch geblieben oder wurde im Laufe der Jahre verändert oder abgewandelt.
So war es zum Beispiel Tradition, noch bis zum Anfang der 80er Jahre, dass zum „Winkuff“ – dem Polterabend – alte und junge Leute aus dem Dorf zusammenkamen und dem zukünftigen Brautpaar die „Ehestandslieder“ als Ständchen vortrugen.

Mir gefällt das Ehestandsleben besser als in das Kloster gehen. In das Kloster mag ich nicht, ich will zu der Ehe Pflicht. Was wird meine Mutter sagen, wenn ich sie verlassen tu´e. Lass sie sagen was sie will, ich werd heiraten in der Still. Liebster Vater hab Erbarmen und verschaff mir einen Mann. Der mich drückt an seine Brust, und mir macht zu der Heirat Lust.

Kein Porzellan, kein Unrat – nur ein paar Lieder.
Im Anschluss bekamen die jungen Leute Geld und gingen gemeinsam ins Wirtshaus – „auf’n Keller“ oder an den „Stein“ – zum Feiern.
Die Älteren der Gesellschaft wurden ins Haus eingeladen und haben dort ordentlich auf das zukünftige Paar getrunken.

Der Winkuff fand eine Woche vor der Hochzeit statt. Der Name leitet sich von „Wiene“ – Jungfrau – und „kuff“ – kaufen – ab. Es wurde also eine Jungfrau gekauft.
So war es in den vorigen Jahrhunderten sogar Gesetz, dass erst geheiratet werden durfte, wenn ein sogenannter „Wienkaufbrief“ vorlag.

In einer Verordnung von 1579 des Wittgensteiner Landrechts hat Graf Ludwig I. von Sayn-Wittgenstein („der Ältere“) festgelegt, dass die Versorgung der Brauteltern gewährleistet war, indem der zukünftige Schwiegersohn als Mitgift eine Wiese, ein paar Zentner Kartoffeln und eine Kuh zur Eheschließung übergab.
Daher auch der Name: „Brautküh“.

Bei der Übergabe ca. 1899 in Wemlighausen. (Heinrich Dickel *1876 + 1959)
Bei der Übergabe ca. 1899 in Wemlighausen. (Heinrich Dickel *1876 + 1959)
https://www.chronik-schuellar-wemlighausen.de/wp-content/uploads/2025/11/Seilchen.jpg

Am Tag der Hochzeit, wenn die kirchliche Trauung vollzogen war, ging die ganze Hochzeitsgesellschaft – im „Umzug“ – mit dem Brautpaar vorweg, durch das Dorf bis nach Hause. Auf dem Weg standen die Kinder der Straße und hielten ihre „Seilchen“.
Der Bräutigam gab ihnen dann ein paar „Groschen“ in die Hand, um Durchlass zu bekommen.
Gefeiert wurde damals zu Hause – so, wie es jedem möglich war.

Am Abend, meist wenn es schon dunkel war, wurde dann das „Halern“ betrieben.
Ein Korb an einem langen Stock wurde an ein Fenster des „Hochzeitshauses“ gereicht und man bat damit um kleine Gaben wie Eier, Wurst, Schinken oder auch Kuchen, Wein und Schnaps.
Meist waren es die jungen Leute aus dem Dorf, die sich dann mit den gesammelten Leckereien in der Wirtschaft noch einen schönen Abend machten.

Der „Weiberkaffee“, auch heute teilweise noch bekannt, fand dann einen Tag nach der Feierlichkeit statt. Auch nach der Taufe oder der Konfirmation war es Brauch, dass die Frauen im Haus der Festlichkeit zusammenkamen und dort bei Kaffee und Kuchen in geselliger Runde saßen und vielleicht noch das ein oder andere kleine Geschenk zum Anlass mitbrachten.

Auch zu anderen Anlässen, wie zum Beispiel dem Jahreswechsel, gab es in Gemeinschaft der jüngeren Generation das „Neujahrssingen“.
So gingen die jungen Leute um Mitternacht durch das Dorf und sangen ihre Lieder zum neuen Jahr. Dies wurde natürlich auch mit kleinen Gaben an den Haustüren belohnt.

Erst in den letzten Jahrzehnten ergab sich der Brauch des „Girlande Wickelns“.
So treffen sich die nächsten Nachbarn und Freunde, um zum Beispiel einem Jubilar zum runden Geburtstag oder dem Brautpaar zur Silberhochzeit eine Girlande – meist aus Tannengrün und mit Blumen oder anderen Dekorationen geschmückt – um die Haustür zu hängen.
Als Dank und Freude über diese nette Geste bedankt sich der Jubilar natürlich gern mit dem ein oder anderen Schnaps, und man sitzt in geselliger Runde zusammen.

So hat sich im Laufe der Zeit und mit den Generationen doch so einiges verändert.
Das ursprünglich gesellschaftliche Dorfleben findet leider nur noch mit wenig Brauchtum statt.
Aber vielleicht findet sich hier der eine oder andere in der Erinnerung wieder und kann es zumindest noch weitererzählen.

zusammengestellt von Hilla & Marion Dickel, Kiepe

Änderung vorschlagenLetzte Aktualisierung am 27. November 2025.