Historische EntwicklungGeschichte Wemlighausen
Im Jahr 1173 wird Wemlighausen als „Wanboldenchusen“ zum ersten Mal urkundlich erwähnt. Der Edelherr Otto von Grafschaft schenkte der Kirche St. Alexander in Grafschaft Einkünfte aus seinen Gütern „in frantia“ aus der „terra que dicitur Wandboldenchusen“.
Übersetzt bedeutet dies, dass die Güter in fränkischem Gebiet lagen und als das „Land, das als Wanboldenchusen bezeichnet wird“, beschrieben wurden. Zwar ist in der Urkunde nur von „Land“ die Rede, doch deutet das Teilwort -hausen auf eine Behausung hin. Nach der Definition von Dieter Möhn sind –hausen-Namen, die mit einem Vornamen verbunden sind, als „bei den Häusern des Wanbold“ zu deuten. Damit lässt sich annehmen, dass sich hier bereits um 1173 ein menschlicher Siedlungsplatz befunden hat.
In den Jahren 1308 und 1336 wird Wemlighausen erneut urkundlich erwähnt, unter anderem bei Landverkäufen. Eine Urkunde von 1344 gibt Einblick in die Besitzstruktur von Zehntrechten. Besitz und Berechtigungen lagen in den Händen auswärtiger Geschlechter – der Herren von Grafschaft, der Familie von Bicken, der Herren von Viermünden bzw. der Herren von Winter (Bromskirchen), der Hallenberger Bürger Johannes und Rupertus Enze sowie des Klosters Georgenberg bei Frankenberg. Sicher haben auch noch andere Grundherren Ländereien in und um Wemlighausen besessen, die aber urkundlich nicht erwähnt wurden.
Aus der Zeit um 1500 sind keine namentlichen Bewohner Wemlighausens bekannt. Die Berleburger Chroniken berichten sogar, dass 1510 in Wemlighausen kein einziges Haus gestanden habe. Im Gegensatz dazu nennt das Zinsregister von 1521 vier Bauern, die ihr Hubengeld an das Grafenhaus entrichten mussten; 1523 waren es bereits sechs, 1575 sechzehn. Dies war wahrscheinlich Folge einer Neuansiedlung ab etwa 1538.
Wie viele andere Wittgensteiner Dörfer hat auch Wemlighausen im 15. Jahrhundert eine Wüstungsperiode durchlebt. Damals galten bereits fünf Häuser als Dorf – und wenn solche kleine Siedlungen durch Pest, Krieg oder Hunger verlassen wurden, verschwand der Ort schnell von der Landkarte. In Wittgenstein sind über dreißig solcher Wüstungsplätze bekannt. Einige wurden später neu besiedelt, wie etwa Wunderthausen, Diedenshausen und Rinthe, andere – z. B. Hopperckhausen unterhalb des Laibach oder Schwarzenau oberhalb Wemlighausen – blieben dauerhaft wüst.
Graf Eberhard von Wittgenstein (Regierungszeit 1474–1496) begann mit der Konsolidierung seiner Grafschaft. Er schuf größere Rechtssicherheit und förderte die Wiederbesiedlung von Wüstungen – ein politisch und finanziell kluger Schritt, da jeder neue Bauer auch ein neuer Steuerzahler war. Seine Witwe Margarethe von Rodemachern sowie die Söhne Graf Wilhelm (Laasphe) und Graf Johann (Berleburg) setzten diese Politik fort.
Nach ihnen regierte Graf Ludwig der Ältere, der die Grafschaft Wittgenstein teilte und 1603 abdankte. Sein Sohn Graf Georg übernahm Wittgenstein-Berleburg, während Ludwig der Jüngere Wittgenstein-Laasphe erhielt. Um seine Einkünfte festzuhalten, ließ Graf Georg 1606 eine Schatzungsliste für alle Dörfer anlegen. Für 1620 ist in Wemlighausen ein Hammerwerk belegt – der Ort bestand zu dieser Zeit aus etwa 15 Häusern.
Wemlighausen im 18. und frühen 19. Jahrhundert
Ab 1712 wurden mit Hilfe waldeckischer Fachleute Erzgruben im Umfeld von Wemlighausen eingerichtet.
Der Siebenjährige Krieg (1756–1763)
Auszug aus handschriftlichen Aufzeichnungen von Lehrer Peter Graf, 17. Februar 1943
„Am 18. März 1759 nahmen 20 Franzosen in Schüllar acht preußische Reiter und einen Leutnant gefangen…
Am Samstag vor Pfingsten gaben die Franzosen als Beweis ihrer freundlichen Gesinnung zu Ehren der Offiziere auf dem Schüllarhammer ein großes Traktement. Wohlhabende Herren der Stadt spendeten reichlich Wein…“
Weiter berichtet Schultheiß Philipp Dickel aus Wemlighausen, dass ein Kommando von sechs Mann unterwegs dem Landwirt Stark im Winterbach ein Pferd mit Gewalt abgenommen habe. Zudem seien alliierte Truppen im Begriff gewesen, in Wemlighausen Wagen zu requirieren. Der Schultheiß handelte und der Offizier zog gegen ein Trinkgeld von sechs Talern wieder ab.
Lehrer Graf fasst zusammen:
„Es war ein merkwürdiger Krieg – ein Hin- und Herziehen der Kriegsvölker, eher ein Versteckspiel als ein richtiger Krieg. Dennoch war er für das arme Land sehr kostspielig. Nach gerechter Verteilung der Lasten musste Wemlighausen im Jahr 1761 noch 133 Reichstaler zahlen.“
Ab 1781 gehörte Wemlighausen zur Schulzerei Schüllar.
Napoleonische Zeit und wirtschaftliche Not (1803–1816)
Die Rheinbundakte von 1803 zwang viele deutsche Kleinstaaten, ihre linksrheinischen Gebiete entschädigungslos an Frankreich abzutreten. Auch Wittgenstein verlor seine Besitzungen Neumagen und Hemsbach.
1806 verloren die Fürsten zu Wittgenstein schließlich ihre staatliche Selbstständigkeit. Napoleon schlug Wittgenstein-Berleburg und Wittgenstein-Hohenstein dem Großherzogtum Hessen zu – ein politischer Schachzug, um nur noch mit wenigen größeren Staaten verhandeln zu müssen.
Für die Bevölkerung – und besonders die Bauern – hatte dies gravierende Folgen:
Neben den bisherigen Abgaben an die Standesherren mussten sie nun zusätzlich hessische Steuern zahlen. Die dadurch entstehende Doppelbesteuerung führte zu einer wirtschaftlichen Krise, die zahlreiche Familien zur Auswanderung bewegte. Zwischen 1806 und 1817 kam es zu einer regelrechten Auswanderungswelle nach Amerika.
Im Jahr 1806 wechselte Wemlighausen zudem administrativ zur Schulzerei Girkhausen.
Nach der Niederlage Napoleons und der Neuordnung Europas durch den Wiener Kongress (1815) kam ganz Wittgenstein ab 1816 zur preußischen Provinz Westfalen. Die erhofften steuerlichen Entlastungen ließen jedoch zunächst auf sich warten. Auch Preußen erhob weiterhin eigene Steuern – die Doppelbesteuerung blieb bestehen.
Die „Bauernbefreiung“ – das Jahr 1840
Nach Jahrhunderten von Leibeigenschaft und Abhängigkeit konnten die Wittgensteiner Bauern endlich aufatmen. Zahlreiche Klagen und Berichte über die verheerende wirtschaftliche Lage – unter anderem der berühmte Bericht des Oberpräsidenten von Vincke, wonach selbst die Aschenkruste des Brotes aus Hungersnot mitgegessen wurde – bewogen Preußen zum Handeln.
Ein Vertragswerk zwischen Preußen und den Fürsten von Wittgenstein regelte die Ablösung der standesherrlichen Rechte:
- Die Fürsten traten ihre Rechte und Forderungen gegenüber den Bauern an Preußen ab.
- Als Entschädigung erhielten sie eine Rente aus der Wittgensteiner Tilgungskasse.
- Die Bauern zahlten im Gegenzug eine berechnete Ablösungsrate.
- Das Gesetz vom 22. Dezember 1839 legte die Rahmenbedingungen fest.
- Ab dem 1. Juli 1840 waren die Bauern von ihren bisherigen Abgaben befreit.
Damit wurden die bewirtschafteten Ländereien – zuvor Lehen oder Erbpacht – volles Eigentum der Bauern. Es war ein tiefgreifender Einschnitt in der Geschichte Wittgensteins und gilt bis heute als „Bauernbefreiung“.
Noch im 18. Jahrhundert waren Veränderungen der Flächennutzung (Acker/Wiese) oder Verkäufe nur mit Zustimmung des Landesherrn erlaubt. Dies änderte sich nun vollständig.
1845 – Neue Verwaltungsstrukturen
Mit der Einführung der Landgemeindeordnung für die Provinz Westfalen im Jahr 1845 wurden im Kreis Wittgenstein fünf Ämter gebildet, darunter die Ämter Arfeld, Berghausen und Girkhausen.
Zu letzterem gehörten unter anderem Schüllar und Wemlighausen.
Der Erste Weltkrieg (1914–1918)
Als Auslöser des Ersten Weltkrieges gilt nach den Geschichtsbüchern das Attentat von Sarajevo, bei dem der österreichisch-ungarische Thronfolger Franz Ferdinand und seine Ehefrau am 28. Juni 1914 ermordet wurden.
Der Krieg hatte tiefgreifende Auswirkungen auf das Leben in Wittgenstein. Die Einberufung vieler Männer, Arbeitskräftemangel in Landwirtschaft und Handwerk sowie große wirtschaftliche Not prägten den Alltag. Viele Familien litten unter Hunger und Armut.
Zum Gedenken an die Gefallenen und Vermissten wurden ihre Namen auf dem Ehrendenkmal neben der Odebornskirche in Schüllarhammer eingraviert.
Verwaltungsänderung 1932
Im Jahr 1932 wurden die drei bisherigen Ämter aufgelöst. Aus ihren Gemeinden sowie dem Gutsbezirk Sayn-Wittgenstein-Berleburg entstand das neue Amt Berleburg.
Der Zweite Weltkrieg (1939–1945)
Quellen: Wilhelm Völkel, Laasphe 1976, Sonderausgabe der Zeitschrift „Wittgenstein“ (1975/1976)
Der Bericht stützt sich auf Tagebuchnotizen, Augenzeugenberichte sowie amerikanische Quellen und erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Er vermittelt jedoch ein vielseitiges Bild der Jahre 1939 bis 1945 in Wittgenstein.
22. Februar 1945 – Tieffliegerangriff auf Wemlighausen
Gegen Mittag tauchten feindliche Flugzeuge über den Bergen im Nordosten auf, drehten eine weite Kurve und griffen plötzlich im Tiefflug das Dorf mit Brandmunition an. Anschließend flogen sie Richtung Berleburg weiter, wo Bombeneinschläge zu hören waren.
In Wemlighausen gerieten drei Gebäude in Brand:
- das Anwesen des Bauern Heinrich Sonneborn (Pauls),
- das Wohnhaus des Malermeisters Wilhelm Althaus (Anstreichers),
- die Scheune des Landwirts Karl Fuchs (Neljes-Schneiders).
13. März 1945 – Tarnanstrich der Kapelle
Die auf einer Anhöhe stehende Kapelle besaß eine hell leuchtende Stirnwand, die weithin sichtbar war. Das Landratsamt ordnete an, den Anstrich durch dunkle Farbe zu ersetzen, andernfalls müsse das Gebäude gesprengt werden. Männer aus dem Dorf strichen die Wand noch am selben Tag mit Hilfe einer alten Feuerwehr-Handpumpe schwarz.
2. April 1945 – Ostermontag: Besetzung des Dorfes
Schüllar-Wemlighausen war am Morgen bereits geräumt, als der Bürgermeister die am Winterbach lagernden feindlichen Truppen in das Dorf holte.
Aufzeichnungen von Hauptlehrer Peter Graf – Frühling 1945
Deutsche Truppen im Dorf
Mitte März 1945 verlegten deutsche Truppen aller Waffengattungen ihren Einsatzraum nach Wemlighausen. Wagenkolonnen, später meist Pferdefuhrwerke, zogen durch das Dorf. Zuletzt trafen SS-Einheiten unter General Jaitz ein, der in der Gastwirtschaft Otto Aderhold Quartier bezog. General Model hatte sein Quartier in der Volksschule auf dem Hammer.
Ein SS-Soldat fiel am Laibach und wurde in der Nähe des Hauses von Karl Bartsch auf dem Hesseberg beerdigt.
Zur Verteidigung wurden Panzersperren errichtet und Geschütze auf dem Butzrain, über dem Dorf und am Bockshorn positioniert.
Der Einmarsch der amerikanischen Truppen
Am 1. April 1945 (Ostersonntag) rückten die amerikanischen Truppen – entgegen aller Erwartungen aus östlicher Richtung – nach Wemlighausen vor. Diedenshausen und Wunderthausen waren bereits seit Karfreitag besetzt.
Panzer fuhren am Winterbach auf und richteten sich zum Beschuss aus. Infanterie sicherte die Waldhänge am Riljeskopf, Schmidtskopf und Birkenkopf.
Gegen 10 Uhr erreichte die Nachricht das Dorf, dass der Angriff unmittelbar bevorstand. Bürgermeister Heinrich Lückel-Spieses und Willi Wendland gingen den Amerikanern entgegen und erklärten auf Englisch die kampflose Übergabe.
Der amerikanische Kommandant – ein deutschsprachiger Offizier mit familiären Wurzeln bei Hannover – ließ das Dorf anschließend besetzen. Kampfhandlungen fanden nicht mehr statt.
Besatzungszeit
Die amerikanische Truppe erließ Ausgangssperren und forderte die Abgabe sämtlicher Waffen, Munition, Fotoapparate, Radios und Uniformen.
Ende April kamen zwei Kompanien Infanterie (ca. 350 Mann) zur Erholung ins Dorf. Dafür mussten 15 Häuser geräumt werden. Der Stab lag in der Gastwirtschaft Otto Aderhold; die Küche befand sich im Doppelhaus Dickel/Wahl.
Auf Anordnung mussten die Düngerstätten der beiden Familien täglich geleert werden, um Fliegenbefall zu verhindern.
Zu Pfingsten 1945 wurde die Küche in die Schule Schüllarhammer verlegt; die Gemeinde musste Tische und Stühle bereitstellen. Außerdem mussten aus umliegenden Orten Wäschestücke beschafft werden.
Zwischendurch lag auch eine belgische Einheit (18–20 Mann) im Dorf, die hohe Anforderungen an die Verpflegung stellte und zudem Rehwild und Hasen abschoss.
Plünderungen durch Ostarbeiter
In den letzten Kriegsjahren waren viele Ostarbeiter in Schüllar und Wemlighausen eingesetzt. Nach Eintreffen der amerikanischen Truppen wurde ihnen zeitweise erlaubt, Häuser zu plündern. Sie entwendeten vor allem Lebensmittel, Kleidung, Wäsche und Schuhe.
Kommunalreform 1975
Mit dem Sauerland/Paderborn-Gesetz wurde das Amt Berleburg am 1. Januar 1975 aufgelöst. Die Gemeinden des Amtes sowie die Stadt Berleburg wurden zur neuen Stadt Bad Berleburg zusammengeschlossen – darunter auch Schüllar und Wemlighausen.
Im selben Jahr entstand durch die Fusion der Kreise Siegen und Wittgenstein der heutige Kreis Siegen-Wittgenstein.
1 G.Wrede, Twerritorialgeschichte, Seite 184
2 F.Krämer, Wittgenstein Bd.1, Seiten 159ff.
3 Wie Fußnote 1
4 W. Hartnack u.a., Die Berleburger Chroniken, Seite 36, Zeilen 20-28


