Chroniken und SehenswürdigkeitenAbenteuerdorf Wittgenstein


JFZ = FZ = ADW – 50 Jahre Abenteuerdorf Wittgenstein
JFZ = FZ = ADW – diese spezielle Wittgensteiner Gleichung spielte im zu Ende gehenden Jahr eine wichtige Rolle. Denn das Jugendfreizeitzentrum (JFZ) des heimischen Kirchenkreises, das erst zum Freizeitzentrum (FZ) und dann schließlich zum Abenteuerdorf Wittgenstein (ADW) wurde, feierte 2025 sein 50-jähriges Bestehen. Der Standort am Rande von Wemlighausen im Wernsbach, oberhalb vom Marienwasser und von der Kreisstraße 51 nach Kraftsholz und Wunderthausen blieb dabei stets derselbe. Die zahllosen Bäume in den geheimnisvollen Wäldern rundherum bestimmen heute die Atmosphäre in diesem grünen Paradies für Kinder, Jugendliche und Erwachsene. Dabei wurden die Nadelbäume oberhalb der Einrichtung erst angepflanzt, nachdem die Blockhäuser standen.
Ihren Anfang nahm die Geschichte des heutigen Abenteuerdorfs aber bereits 1969. Ein Jahr nachdem die Jugend- und Studentenbewegung in der westlichen Welt ihren Höhepunkt erlebte, bewegte die jungen Christen aus Wittgenstein und benachbartem Sauerland etwas anderes, wie sich der frühere Wittgensteiner Synodaljugendwart Hans Henrici im autobiographischen Bericht „Vom Glasergesellen zum Pastor“ erinnert. Im Auftrag der Wittgensteiner Kreissynode hätten ehrenamtliche Jugendmitarbeitende ein Konzept entwickelt, das die Jugendarbeit von CVJM und Kirche gemeinsam in einem evangelistisch-missionarischen Modell auf ein gesundes Fundament stellen wollte: „Die Freizeitarbeit in Kirche und CVJM wurde konzentriert und die Kinder- und Erholungsmaßnahmen der Inneren Mission (heute Diakonisches Werk) integriert.“
Der neue synodale Jugendausschuss des Kirchenkreises Wittgenstein habe dann im August 1972 erklärt, „dass die sich rasch entwickelnde Jugendarbeit ein Haus benötige, um Freizeiten, Seminare und gemeinsame Wochenenden für Jugendliche zu fördern“. Das Kinderheim Mollseifen sei dem Kirchenkreis im Herbst desselben Jahres zum Kauf angeboten worden, die Anschaffung aber abgelehnt worden: „Der Plan war noch nicht reif.“
Dass das Geld eine Rolle spielte, konstatierte Hans Henrici für 1973: „Die Finanzfachleute meinten, dass ein eigenes Jugendzentrum für den Kirchenkreis Wittgenstein aus Struktur- und Kostengründen untragbar sei.“ Aber Reinhold Lückel, damals zum einen Wemlighäuser Bürgermeister, zum anderen CVJM-Mitarbeiter, habe zugesichert, sich für die Jugendzentrums-Planungen einzusetzen.
Nachdem eine Reihe von Grundstücken und angebotenen Häusern besichtigt worden waren, schälte sich als Favorit mehr und mehr ein Angebot der Zivilgemeinde Wemlighausen auf dem Kiepekopf heraus, mitten im Naturpark Rothaargebirge gelegen. Im Bericht von Hans Henrici nahmen die Bedenken, die das Bauamt des Bielefelder Landeskirchenamts in Bezug auf das Wemlighäuser Angebot äußerte, eine halbe Seite ein. Unter anderem sei es um Verkehrsferne, fehlende Besonnung am Nordhang, die Pflege der Blockhütten „bei der heutigen minderwertigen Holzqualität“, das Spannungsverhältnis zwischen sanitärer Einrichtung und „Wildwestromantik“ sowie um die Finanzen gegangen.
„Fehlen am Ende diese Gelder, die wir verbauen, nicht der gezielten Arbeit an jungen Menschen?“
Dennoch traf die Kreissynode am Tag vor Nikolaus 1973 die Entscheidung für ein Jugendfreizeitzentrum am Kiepekopf mit einem Versorgungshaus und zwei norwegischen Gästehäusern aus Holz. Die kamen wirklich aus Skandinavien in die ungefähre Mitte des Wittgensteiner Kirchenkreises, zu dem ja auch die evangelischen Sauerländer bis nach Cobbenrode und Niedersfeld gehörten. Eine Kirchenkreis-Delegation war zuvor für einen Informationsbesuch zur Herstellerfirma nach Norwegen geflogen.
Bauphase und erste Jahre
Die Ausschachtungsarbeiten begannen im Frühjahr 1974, am 15. Mai wurde der Jugendpfarrer Hans Henrici JFZ-Geschäftsführer. Er gehörte auch zum Kuratorium, dem verantwortlichen Gremium für die Einrichtung. Schon ab Herbst des Jahres gab es Erstbelegungen für die Häuser, zunächst mit Selbstverpflegung. Vor der offiziellen Eröffnung an Pfingsten 1975 pflanzten ehrenamtliche Mitarbeitende 10.000 Bäume und Sträucher auf dem Grundstück.
Ab Herbst war Ernst Haensel Heimleiter und Hausmeister des JFZ. Im Jahr darauf wurden Nachbargrundstücke gekauft und es wurde schon wieder gebaut: Die Grundstücksfläche stieg von 8500 auf rund 20.000 Quadratmeter. Das Versorgungshaus wurde um einen Keller zur Lebensmittel-Lagerung erweitert, neue Spiel- und Sportplätze entstanden.
Auch das Landeskirchenamt riet zur Erweiterung: „Von 40 auf wenigstens 60 Plätze, um eine bessere Wirtschaftlichkeit zu erreichen.“
1980er Jahre – Ausbau, Zeltplatz, Minigolf
Die 1980er Jahre begannen mit einer personellen Veränderung: Ab 1. Januar war Ernst Haensel der neue JFZ-Geschäftsführer, Hans Henrici übernahm den Vorsitz im Kuratorium. Und es wurde erneut gebaut.
Das habe mit dem Ilsetal zu tun gehabt: Neben dem bestehenden Platz dort wollte der Kreis Siegen 1982 keine Zeltplätze mehr genehmigen. Dafür bot man an, den Ausbau eines Zeltplatzes im JFZ mitzufinanzieren. Der Zeltplatz wurde mit Küche, Personalhaus und Waschzellen errichtet.
1985 entstand auf dem Gelände die Minigolfanlage mit 15 Bahnen und die offene, überdachte Halle. Drei Monate nach dem Beschluss für ein neues Bettenhaus wurde es 1988 fertiggestellt.
1990er Jahre – Neustart, neue Leitung
1997 begann eine neue Ära: Der 39-jährige Klaus Aderhold wurde neuer Geschäftsführer. Als Kind hatte er hier Kartoffeln ausgemacht. Schon seit seinem 14. Lebensjahr war er ehrenamtlich in CVJM und Kirche tätig – nun leitete er den Ort, den er so mochte.
Doch die gesellschaftliche Lage veränderte sich: demographischer Wandel, sinkende Kirchenbindung und knapper werdende Finanzen. Die Übernachtungszahlen gingen zurück.
2000er Jahre – Der Weg zum Abenteuerdorf
2001 fand eine Zukunftswerkstatt statt – Ergebnis: Der Name wurde geändert.
Aus JFZ wurde FZ – Freizeitzentrum.
Es gab neue erlebnispädagogische Angebote, ab 2010 Lama-Trekking. Aber die Substanz litt: schlechte Heizungen, hoher Energieverbrauch, wenig Komfort.
2012 begann der Prozess der Neubewertung, 2014 fiel die Entscheidung:
Das FZ wird zum Abenteuerdorf Wittgenstein – ADW.
Klaus Aderhold verabschiedete sich aus der Geschäftsführung. Maike Schröder und Werner Hoffritz übernahmen nacheinander. 2017 wurde das komplett erneuerte Abenteuerdorf eröffnet.
Ein Ort, der Menschen prägt
Seit 1975 prägten über 110 Zivildienstleistende, Bufdis, Praktikanten und Ehrenamtliche diesen Ort. 100.000 Euro Eigenleistung flossen in den Umbau – 7000 Stunden Arbeit.
Der Leitvers der Einrichtung lautet:
„Du stellst meine Füße auf weiten Raum.“ (Psalm 31,9)
Heute wie damals prägt ein engagiertes Team den familiären Charakter des Hauses. Viele Gäste kehren wieder, viele fühlen sich hier wie zuhause.
Gäste-Feedback 2025
Eine Familie aus dem Münsterland schrieb im Sommer 2025:
„Unsere Gäste und wir hatten ein unvergessliches Wochenende im Abenteuerdorf! Alle sind von diesem einmaligen Ort begeistert … Ein Ort, an dem man fröhliche Stunden verbringen kann, an dem Begegnungen möglich werden, an dem man gemeinsame Erinnerungen schafft.“
Über 520.000 Übernachtungen in 50 Jahren
Mit zwei Zahlen lässt sich die Bedeutung des Hauses ausdrücken:
- über 520.000 Übernachtungen seit 1975
- rund 1800 Teilnehmende an Lama- & erlebnispädagogischen Angeboten allein 2024
Seit 2022 gibt es Familientage, seit 2023 den „Tag der Frauen“. Das Haus entwickelt sich ständig weiter – ganz im Sinne von Karl Barth:
„Die Kirche ist immer zu reformieren.“
Und dennoch bleibt eines gleich:
„Niemand kann ein anderes Fundament legen als das, das schon gelegt ist: Jesus Christus.“ (1. Kor 3,11)
In diesem Sinne stimmt die Gleichung:
JFZ = FZ = ADW



Text: Jens Gesper
Fotos: Abenteuerdorf
www.abenteuerdorf.info
1: Die folgenden Informationen wurden, sofern nicht anders angegeben, Akten des JFZ-Kuratoriums und der Verwaltung im Bestand „Jugendfreizeitzentrum Wemlighausen“ im Archiv des Evangelischen Kirchenkreises Wittgenstein entnommen.
2: Hans Henrici: Vom Glasergesellen zum Tischler. Benutzt wurden Kopien einzelner Seiten aus Privatbesitz. Der Titel selbst konnte per Internet-Katalogrecherche nicht nachgewiesen werden (Stand: 14. November 2025).
