Vereine und Verbände„Kapelle Böhl“

Die Wemlighäuser Kapelle. „Bravo, Matthaiser!“ oder „Die Matthaiser kommen.“ So war es überall zu hören, wenn auf Festen und sonstigen Veranstaltungen Musik angesagt war. Sie spielten natürlich in unserem Dorf, marschierten aber auch von Wemlighausen in die Nachbardörfer bis in das hessische Upland oder weit bis in das Kölsche. Die Matthaiser, das war eine sieben bis dreizehn Mann starke Blaskapelle unter der Leitung von Musiker Philipp Wahl.
Ein musikalisches Genie soll er gewesen sein. Er beherrschte virtuos mehrere Instrumente, aber im Besonderen galt seine Neigung der Geige und der Trompete. Für seine Musiker arrangierte er und schrieb auch selbst Musikstücke für die jeweilige Besetzung der Kapelle – passend für alle Gelegenheiten: Marschmusik, Tanz- und Volksmusik, Choräle oder Trauermärsche und Musik zu Beerdigungen. Es ist anzumerken, dass es zu der damaligen Zeit keine Musikverlage wie heute gab. Es gab keine standardisierten Besetzungen der Kapellen, und somit lohnte auch der Verkauf von Arrangements und Noten nicht. Man hörte eine Melodie und improvisierte den Teil für sein Instrument – oder hatte einen Arrangeur wie **Philipp** Wahl. Zur Musikerfamilie gehörten sein Sohn Christian an der Trompete und sein Sohn Heinrich am Tenorhorn. Weitere Musiker kamen auch aus Wemlighausen oder Schüllar. Alle Musiker beherrschten mehrere Instrumente. Das ist wahrscheinlich auf eine sehr gute Ausbildung zurückzuführen und auf die Tatsache, dass die Blechblasinstrumente im 19. Jahrhundert nicht so hochwertig waren. Blechblasinstrumente waren deutlich schlechter konstruiert als heutzutage, sie waren schwieriger in der richtigen Stimme zu spielen und konnten oft nicht so schnell wie die heutigen Instrumente die Töne wechseln. Die Instrumentengruppen der Kapellen bestanden anfangs zum größten Teil aus Streich- und Holzblasinstrumenten.


Wenn Verstärkung gebraucht wurde, tauschte man sich damals schon mit Musikern aus Wallau oder Weifenbach aus. Dies geschah auch umgekehrt. So nahmen nicht nur die Musiker aus dem benachbarten Hessen den Fußmarsch nach Wemlighausen in Kauf, die Wemlighäuser mussten auch manches Mal den langen Weg über Berleburg, Meckhausen, Arfeld, Richstein, Laasphe antreten. Ein mühseliger Anmarsch. Man kann sich aber auch vorstellen, dass es auf den langen Wegen auch manchen Spaß und manche Anekdote zu erzählen gab. Bei ihren Auftritten trug die Kapelle stets Gehrock und einen steifen Hut.
Aus dieser Zeit wurden auch einige Anekdoten überliefert. So schrieb Hartmut Böhl, Musiker der vierten Generation, Erzählungen seines Großvaters Christian nieder. Die Matthaiser kamen von einer Beerdigung und kehrten wie gewohnt bei Trappes (ehemals Westfälischer Hof, Berleburg) ein. Das Grammofon war das neueste musikalische Ereignis. Auf einem sich drehenden Teller lag eine Scheibe (Schellackplatte), die mit einer dicken Stahlnadel abgetastet wurde und Musik produzierte. Schadenfroh legte der alte Herr Trappe eine Platte auf und sagte zu **Philipp**: „Wenn du mir das nachspielst, spendiere ich das größte Fass Bier aus dem Keller.“ Urgroßvater **Philipp** ließ sich die schwarze Scheibe noch ein paarmal vorspielen und brachte die Noten zu Papier. Kurze Zeit später holten die Musiker ihre Instrumente, und die Augen von Hannes Trappe wurden immer größer. Voller Stolz erzählte Opa Christian weiter: Das Freibier floss für alle, die in der Wirtschaft waren. Bis spät in den Abend sollen die Gespanne von Holzfuhrleuten, die die Firma Johann Georg Stark mit Stammholz versorgten und sich abends bei Trappes ein Schnäpschen tranken, noch vor dem Wirtshaus gestanden haben.
Die Wemlighäuser Kapelle hatte in Wunderthausen unter Leitung von Christian Wahl Festmusik übernommen. Als die Musikanten dort ankamen, stellten sie fest, dass der Streichbass gar nicht auf die Musikbühne passte. Das Dach war viel zu niedrig. Christian Wahl wusste sich zu helfen und rief: „Langt ’e Schrotsäje.“ Schnell wurde ein keilförmiges Stück aus dem Dach gesägt, und der Streichbass wurde unter dieser Lücke auf der Bühne untergebracht. So erzählte Rudi Weller aus Berleburg. Es gäbe noch vieles aufzuschreiben.
Ungezählte Kilometer wurden in dieser Zeit von den Musikern zu Fuß zu und von den Festveranstaltungen zurückgelegt. Es gab unterwegs sicher manches Späßchen. Christian und Heinrich Wahl waren die Matthaiser in der zweiten Generation. Der Erste Weltkrieg, 1914 bis 1918, brach aus und verschonte auch die Männer aus Schüllar und Wemlighausen nicht. Christian Wahl hatte Glück. He verbrachte die Kriegsjahre in Wiesbaden bei einer Militärkapelle. Sein Bruder Heinrich starb 1916 den sogenannten Heldentod. Nach 1919 entstanden wieder überall kleine Kapellen, die sich gegenseitig aushalfen. Die Wemlighäuser halfen den Hallenbergern und umgekehrt. Die Weifenbächer und Wallauer verstärkten die Wemlighäuser und Arfelder. In Arfeld war auch eine Kapelle gegründet worden. Musiker aus Berleburg, Raumland, Arfeld, Wemlighausen und anderen Dörfern gründeten 1928 die Feuerwehrkapelle Berleburg. In Schüllar-Wemlighausen formierte sich im Schützenverein ein Tambourkorps.
Christian Wahl wurde für Hartmut Böhl, 1931 geboren, der musikalische Ziehvater. Schon in jungen Jahren begleitete er Großvater Christian zu den Konzerten der Feuerwehrkapelle. Der alte Matthais, **Philipp**, hatte sich mit 71 Jahren musikalisch zur Ruhe gesetzt. Er gab aber weiterhin Musikunterricht in Geige, Trompete und Konzertzither. Die Feuerwehrkapelle wurde 1933 zur SA- und Parteikapelle, Ortsgruppe Berleburg. 1939 wurden vierzehn Musiker zur Wehrmacht einberufen. Die daheim gebliebenen Älteren formierten sich zur NSDAP-Kapelle, Ortsgruppe Berleburg.
Im Jahre 1947 wurde die Feuerwehrkapelle Berleburg neu gegründet. Die Kapelle formierte sich aus den halbwegs gesund zurückgekommenen Musikern und aus Musikern, die nach Berleburg und Umgebung geflüchtet oder umgesiedelt waren. Hartmut Böhl, noch jung an Jahren, war von Anfang an dabei. Im Jahre 1951 kam sein Bruder Heinz Werner als Trompeter zur Feuerwehrkapelle – die Matthaiser der vierten Generation.
Man spielte auch in kleineren Formationen, da nicht in jeden Saal eine große Kapelle hineinpasste. Ernst Mosch veränderte 1956 die Blasmusikszene. Mit seinen Melodien aus dem Eger- und Böhmerland veränderte er die Blasmusik. Hartmut Böhl gründete mit Bruder Heinz Werner, Fritz Dickel, Friedhelm Graf, Klaus Sesterhenn und Heinz Weller die Sauerland-Musikanten. Der erste Auftritt fand unmittelbar nach der Gründung im Saal des Gasthofs Aderhold in Wemlighausen statt. Die Formation war als Tanzkapelle innerhalb der Feuerwehrkapelle gedacht. Denn ein großes Orchester brauchte viel Platz, konnte sich mancher Veranstalter nicht leisten, und es war auch nicht immer für Tanzmusik geeignet.

Nach einem größeren Disput zwischen Feuerwehr und Musikern wurde die Feuerwehrkapelle Berleburg im Herbst 1974 aufgelöst. Einige Musiker hörten auf, einige neue Musiker kamen zu den übrig gebliebenen hinzu. Willi Brandenburg aus Berleburg übernahm den Taktstock, und die Sauerland-Musikanten traten die Nachfolge der Feuerwehrkapelle an. Hartmut Böhl leitete über Jahrzehnte die Sauerland-Musikanten.
Er widmete 1991 dem Schieß- und Schützenverein Schüllar–Wemlighausen den „Marsch der Schützen“ und drückte somit die Verbundenheit der Musiker mit den beiden Dörfern aus. Hartmut verstarb 2023.
Quellen:
Chronik der Kapellen, Hartmut Böhl
Text: Hartmut Böhl
Text Be- und Überarbeitung:
Heinrich Althaus
Recherche zu Instrumenten,
Entwicklung der Blasmusik im
Musikverlag Seifert durch Heinrich Althaus
